Wir verstehen Stadt als Wald - als ein komplexes (Öko)System

Das architektonische und städtebauliche Entwerfen orientiert sich bewusst oder unbewusst, konzeptionell, anschaulich oder abstrakt an Vorbildern. ¹

Die Natur stellt dafür eine wesentliche Quelle dar. Natürliche Strukturen und Geometrien inspirieren Tragwerksentwürfe und Baukörperformulierungen, aber nicht nur, auch natürliche Phänomene und Systeme inspirieren die Konzeption, die Programmierung und Inszenierung von Architektur und Stadt. ²

Das Konzept „Stadt ist Wald" begleitet Cityförster seit der Gründung 2005, und hat sich zu einem Projekt übergreifenden Leitbild unserer Arbeit entwickelt. Es beschreibt Komplexität im Sinne einer synergetischen Diversität als Grundprinzip für das Entwerfen von Stadt.

Wir verstehen Stadt als Wald - als ein komplexes (Öko)System, bei dem verschiedene Elemente oder Stadtbausteine symbiotisch und dynamisch vernetzt sind. In diesem Sinn entstehen mit jedem Entwurf, mit jeder Planung die Herausforderung und die Chance, steuernd in das System Stadt einzugreifen. Über das Projekt hinaus kann es gelingen einen Mehrwert für die Umgebung zu schaffen – durch das Anreichern vorhandener Nutzungen, das Ergänzen von Wegesystemen, die Schärfung von Blickbezügen, die Vereinfachung der Orientierung, die Verbesserung des Mikroklimas, das Vernetzen von AkteurInnen usw.

Circular City Mandala
Circular City Mandala
Stoffkreisläufe halten das System am Leben

Die Metapher von der Stadt als Wald ist für uns immer wieder Anlass zur Interpretation, ruft Assoziationen hervor und beinhaltet diverse Lesarten zum Zusammenwirken von Maßstäben, Objekten, Funktionen, Programmen, Akteuren, Prozessen in Architektur und Städtebau.
So steht das Unterholz für die freien Orte der Innovation, Subkultur, Aneignung..., der Humus ist das sich ständig erneuernde Geflecht von Stadträumen und Nutzerschaften..., Brachland sind die unterbelichteten Orte, vielleicht auch der „Nektar" = der „Nicht-Hektar" ³ als freier Raum für Unvorhersehbares..., der Baum mit seinem Wurzelwerk braucht den Pilz und sein Wurzelgewebe wie das Hochhaus das Gewimmel von Platz, Straße, Erdgeschoss..., nur der Mischwald erzeugt Klimaresilienz..., Stoffkreisläufe halten das System am Leben.

CYC- Hubs bilden die Schnittstelle der Kreisläufe im Quartier
CYC- Hubs bilden die Schnittstelle der Kreisläufe im Quartier

Stadt als Wald zu begreifen steht in engen Zusammenhang mit einem beruflichen Selbstverständnis, das Nachhaltigkeitsaspekte und die Zukunftsfähigkeit von Architektur und Stadt in den Mittelpunkt des Handelns stellt. So stammt das Konzept der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft: Verbrauch und Nachwuchs stehen in Balance. Aus diesem Verständnis ergeben sich für unsere Arbeit konkrete Aufgaben und Entwurfsprinzipien, die wir wiederum in Leitsätze und Leitbilder übersetzen und interpretierbar machen. Dazu gehören z.B. die Realisierung von Recycling-Architekturen nach dem Leitsatz „design by availability", das klimaadaptive und klimapositive Weiterbauen von Quartieren nach dem Leitbild „Landschaf(f)tStadt" oder die Adaption von Stoffkreisläufen und Suffizienzkriterien im Quartiersmaßstab, für die wir als Inspiration und als Kommunikationsmittel das so benannte „Circular-City-Mandala" verwenden. ⁴

Mit der Landschaft entworfene Quartiere im Kreislauf zwischen Taunus und Frankfurt
Mit der Landschaft entworfene Quartiere im Kreislauf zwischen Taunus und Frankfurt
Forestry is not about trees, it is about people

Das Entwerfen und Weiterbauen von Stadt als einem komplexen System erfordert nicht zuletzt auch einen integrativen, transdisziplinären und teamorientierten Arbeitsansatz, bei dem Expert:innen aus Architektur, Städtebau, Freiraumplanung und Landschaftsarchitektur, Klima, Mobilität und Verkehr, Soziologie und Zukunftsforschung u.v.m. auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

In diesen Konstellationen, in denen nicht immer die gleiche (Fach)sprache gesprochen wird, und in Bezug auf die Kommunikation mit den Menschen, für die wir entwerfen und bauen, erweisen sich Leitbilder als kraftvolle Übersetzer für gemeinsame Zieldefinitionen und für ein Verständnis dafür, was eine lebenswerte Stadt ist. Denn schließlich folgen wir bei der Auseinandersetzung mit Architektur und Städtebau der Erkenntnis, die der bekannte Förster Jack Westoby wie folgt formuliert hat: „Forestry is not about trees,it is about people. And it is about trees only insofar as trees can serve the needs of people." ⁵

Freiraumplanung. Cape Square Durrës Albanien
Freiraumplanung. Cape Square Durrës Albanien